Antwort: Betrachtet man die Konstruktions-Zeichnung einer Heizleiste, so drängt sich zweifellos
der Eindruck eines niedrig gebauten Konvektors auf. Dieser Trugschluss stand jahrelang
dem zweckmäßigen Einsatz der Heizleisten im Weg.
Um die Wirkungsweise der Heizleiste zu verstehen, muss die Dynamik des Raumluft-Systems
als Ganzes gesehen werden.
Das Heizwasser strömt durch das Kernrohr und dieses leitet Wärme in die aufgepressten Lamellen.
Zwischen den Lamellen erwärmt sich die Luft, gewinnt dadurch Auftrieb und strömt
nach oben. Mit zunehmender Geschwindigkeit erreichen die kleinen Warmluftsträhnen den
Luftaustritts-Schlitz der Heizleistenverkleidung. Dort vereinigen sie sich zu einem dünnen
Warmluftschleier, der aber nicht, wie immer wieder vermutet, nach vorne quer in den Raum
„bläst“, sondern vielmehr nach hinten an die Wand und daran nach oben strömt. Die Aufwärtsströmung
der warmen Luft bleibt an der Wand und schiebt sich gleichsam zwischen ihr
und dem stehenden, bewegungsträgen Raumluftvolumen nach oben.
Der Wärmeinhalt dieser aufsteigenden Prozessluft, wie wir sie nennen, geht dabei an die
Wand über und erhöht deren Oberflächentemperatur. Im Reibungskontakt mischt sich ein Teil
der Prozessluft mit der Raumluft. Die davon betroffenen kleinen Mengen der Raumluft nehmen
zwar mit erhöhter Temperatur am Aufstrom teil, verringern aber auch die Temperatur
und damit den Auftrieb der Prozessluft.
Die Aufwärtsströmung endet, wenn die Temperatur der Prozessluft die entsprechende Höhe in
der Temperatur-Stufung des Raumluftvolumens erreicht hat. Von da an schiebt sich die Prozessluft
laminar und waagrecht in das Raumluftvolumen.
Die gleiche Luftmenge, die in Abhängigkeit von der Heizwassertemperatur aus der Heizleiste
nach oben strömt, wird unten eingesogen. Dabei treten nur im Eintritts-Querschnitt und auch
nur kaum messbare Luft-Geschwindigkeiten (unter 0,1 m/s) auf.
Über längere Zeiträume gesehen, führt diese Luftbewegung – erwärmte, aufsteigende und in
bestimmter Höhe waagrecht schichtende Prozessluft oben, sowie dicht über dem Fußboden
abgezogene, der Heizleiste zuströmende Luft – zu einer abwärts gerichteten Bewegung des
Raumluftvolumens und damit zu einer Unterstützung der natürlichen Sedimentation, der
Staubablagerung. Darauf beruht die Verträglichkeit der Heiztechnik mit Heizleisten für Hausstaub-
Allergiker.
Die Erhöhung der Oberflächentemperatur der Wände hebt die Strahlungstemperatur auf das
Niveau der Lufttemperatur oder darüber. Damit ist Strahlungsklima gegeben.

Hintergründliches: Heizleisten kommen in dieser Form und mit Blechverkleidungen ursprünglich
aus den USA. Man nennt sie dort baseboards. Der Marktanteil dieser Heizleisten
an wasserführenden Heizsystemen (Hydronics), im Gegensatz zu luftheizender Airconditioning,
beträgt in den USA weit über 80%. Dies stellte bereits 1950 die erste Reisegruppe
deutscher Heizungsfachleute fest und war davon entsprechend beeindruckt. Einer der
Teilnehmer, ein sehr rühriger Erfinder, wandelte bereits auf dem Rückflug zeichnerisch die
sehr leichte Ausführung der amerikanischen Vorbilder in eine massivere Variante aus Stahlblech
um, meldete deutsche Schutzrechte darauf an und ließ sie unter dem Namen „Sockelkonvektoren“
herstellen.
Etwa zur selben Zeit fabrizierte der größte Hersteller von Guss-Heizkesseln und -Radiatoren
ebenfalls „Sockelkonvektoren“ aus Gussgliedern, die wie Radiatoren zusammengenippelt werden
sollten.
Andere importierten die US-baseboards im Original. Alle wollten dabeisein, wenn das große
Geschäft, ähnlich wie bei vielen anderen Produkten, die über den großen Ozean zu uns kamen,
losgehen sollte.
Es ging aber nichts los, weil die strahlungsintensive Wirkung der Heizleisten noch nicht erkannt
war. Und der Weg zur Erkenntnis war gerade durch den unglücklich gewählten Begriff
„Sockelkonvektor“ gedanklich versperrt. Als Konvektoren wurden diese sonderbaren Heizkörper
ebenso eingesetzt, wie alle anderen auch und wie diese an unmöglichen Stellen platziert.
Niemand dachte daran, reine Heizleisten-Systeme zu installieren. Vielmehr wurden die
vermeintlichen Konvektoren vor niedrigen Fensterbrüstungen an den Sockeln gläserner Pförtnerhäuschen,
oder immer dort eingesetzt, wo althergebrachte Heizkörper nicht Platz hatten.
Durch das Mischen mit heiztechnisch anders wirkenden Heizflächen kam es zu auffälligen
Temperatur-Differenzen in den unterschiedlich beheizten Räumen. Der Fehler wurde nicht
am Hergebrachten, sondern am Neuen gesehen.
„Sockelkonvektoren hängen nach“, sagten die einen, weil sie in der Übergangszeit verglichen
hatten. Andere stellten im tiefen Winter fest „die laufen mächtig vor!“.
Es fehlte an der Aufmerksamkeit für die besondere Heizwirkung. Das musste schief gehen.
Aus dem erwarteten großen Geschäft wurde nichts.
In den USA kümmert sich zwar bis heute niemand um das versteckte Strahlungsprinzip, aber
die Baseboards werden dort auch stereotyp entlang der Außenwände der dort fast ausschließlich
üblichen Fertighäuser montiert und von heizöl- oder gasbefeuerten Kesseln betrieben.
Dabei funktionieren sie geradezu gottgewollt; einerlei, ob einer begreift, wieso.