Frage:
Wie hoch liegt die beste Vorlauftemperatur?
Nur mit Spielraum kann der Regler sparen!


Antwort:
Darüber wird in den verschiedenen Lagern aus unterschiedlichen Interessen heftig gestritten. Betriebstemperaturen von Heizungsanlagen lassen sich nur als theoretische Werte für das Berechnen von Heizflächen festlegen.
Welche Temperaturen hinterher im praktischen Betrieb dann tatsächlich erreicht werden, lässt sich nicht vorhersagen. Zu viele Einflussfaktoren sind für die effektive
Betriebstemperatur verantwortlich.

Die Frage nach der Höhe der Betriebstemperaturen stellt sich erst, seit im Rahmen vermeintlicher Einsparmöglichkeiten die These vertreten wurde, dass höhere Betriebstemperaturen zwangsläufig zu höheren „Verlusten“ führen müssten. Doch ein Zusammenhang existiert in dieser verkürzten Form überhaupt nicht. Rohrnetz und Heizflächen einer Heizanlage transportieren und verteilen die Wärme
in der vorberechneten Weise in allen Räumen eines zu beheizenden Hauses. Die Wärmeabgabe einer Rohrleitung zu einem Heizkörper kann nicht als Verlust bezeichnet werden, einerseits wegen ihres verschwindend geringen Anteils im Verhältnis zur Wärmeabgabe des Heizkörpers, andererseits weil sie ja nur diesen geringen Anteil an der Wärmeleistung des Heizkörpers vorwegnimmt. Dass die Temperatur in überheizten Räume nicht durch Drosseln der Wärmeabgabe der Heizkörper, sondern durch Öffnen von Fenstern und Türen korrigiert wird, ist angesichts des Zwanges zum Einbau von Thermostatventilen in allen beheizten Räumen praktisch ausgeschlossen. Allein deshalb kann man den erforderlichen Heizenergieaufwand, mit dem man die Voraussetzung für die Bewohnbarkeit eines Hauses schafft, nicht als Verlust bezeichnen.

Ein tatsächlicher Verlust könnte entstehen, wenn beim Heizkessel als dem Wärmeerzeuger Wärme abstrahlt oder abfließt, die über die Heizraumlüftung ins Freie gelangen könnte ohne dem Erwärmen des Hauses zu dienen. Vor fünfzig und mehr Jahren war das bei der einen oder anderen Zentralheizanlage gegeben, denn die damals koksgefeuerten Gussheizkessel waren nicht oder nur sehr spärlich wärmegedämmt.

Heutige Kesselkonstruktionen werden derart gründlich in Dämmstoffe gepackt, dass der auf Prüfständen bestätigter Abstrahlungsverlust maximal 0,5 Prozent bei Nennleistung erreicht. 0,5 Prozent Verlust bedeutet bei einem Heizölverbrauch von 1500 l im Jahr also maximal 7,5 Liter. Der Begriff bei Nennleistung bedeutet bei einer Vorlauftemperatur von 90°C und einer Rücklauftemperatur von 70°C oder für ausgewiesene Niedertemperaturkessel bei 75°C Vorlauf- und 65°C Rücklauftemperatur. Weil nun aber die Heizkessel im praktischen Betrieb weit unterhalb dieser theoretisch höchsten Betriebstemperaturen gefahren werden, sinkt auch der Verlust entsprechend.

So erreicht der Energieverlust des Heizkessels für ein Ein- oder Zweifamilienhaus jährlich mit Sicherheit weniger als den Energieinhalt von 5 Litern Heizöl entsprechend 5 m³ Erdgas.

Hintergründliches:
Die Verlustdiskussionen im Zusammenhang mit Betriebstemperaturen von Heizanlagen sind ausschließlich vom Kommerz diktiert. Erzählt man einem Laien, dass er „erhebliche Verluste vermeiden kann“, wenn er sich für eine niedrige Betriebstemperatur, zum Beispiel maximal 50° C im Vorlauf entscheidet, so wird er ohne weiteres zustimmen. Tatsächlich kann die Betriebstemperatur zwar von 75°C auf 50°C nur gesenkt werden, wenn sich die Heizkörpergrößen nahezu verdoppeln. Dass der Bauherr damit aber nur Geld ausgibt, ohne damit etwas zu gewinnen, wurde oben erläutert.

Neuerdings zwingt die Brennwertideologie zu niedrigen Betriebstemperaturen der Heizanlagen. Schließlich setzt die Kondensation in den Heizkesseln nur ein, wenn die Temperatur der Heizflächen knapp unter 50°C liegt. Anstatt diese Notwendigkeit darzustellen, macht es sich besser, über geringere Verluste als Folge niedrigerer Betriebstemperaturen zu sprechen. Bis zur ersten sogenannten Energiekrise im Jahre 1972 wurden Heizanlagen generell überdimensioniert. Die Betriebstemperaturen lagen bei Vollast weit unter den theoretisch veranschlagten 90°C.
Durch das Energieeinsparungsgesetz und die nachfolgenden Heizanlagenverordnungen wurden alle Zuschläge beseitigt und die bis dahin als tiefste Außentemperaturen angenommenen Richtwerte erhöht. In Verbindung mit theoretischen k-Werten, die unter praktischen Bedingungen niemals erreicht werden, ergeben sich daraus heutzutage Anlagen, deren Kapazität nur unter vorteilhaften Bedingungen für das Beheizen der Häuser ausreicht.

Verantwortungsbewusste Planer müssen daher die Anlagen bis zu einem gewissen Grad überdimensionieren, damit die ordentliche Heizung auch dann gewährleistet ist, wenn in den nächsten zwanzig oder dreißig Jahren doch wieder sibirisch kalte Winter eintreten. Dies bedeutet in der Praxis, dass in weniger kalten Wintern niedrigere Betriebstemperaturen ausreichen, als in extremen Fällen.

Eine weitere Größe, die die Betriebstemperatur verändert ist beispielsweise das weitverbreitete Absenken der Betriebstemperaturen während der Nacht. Durch ein über zehn und mehr Stunden reduziertes Wärmeangebot der Heizanlage kühlen gerade während der kalten Nachtstunden die mit Wärme aufgeladenen Speichermassen der Häuser aus. Das zwingt dazu, in den Vormittagsstunden mit erhöhter Betriebstemperatur die Speichermassen wieder nachzuladen. Durchgehender Heizbetrieb ohne Nachtabsenkung führt erwiesenermaßen zu niedrigeren Betriebstemperaturen.

Heizanlagen müssen mit höheren Temperaturen gefahren werden, wenn die Nutzer mit ständig gekippten Fensterflügeln eine Dauerlüftung herstellen. Das gleiche gilt, wenn Heizkörper während der Abwesenheit zugedreht werden. Dauerlüftung und ein zusätzlich während des Tages eingeschränkter Heizbetrieb durch abgedrehte Ventile bewirken eine Auskühlung, die während der geringen verbleibenden Heizzeit durch höhere Betriebstemperaturen wieder ausgeglichen werden muss.

Schließlich werden heutzutage alle Heizanlagen vollautomatisch nach der Außentemperatur geführt. Das heißt der Regler verändert die Betriebstemperatur der Heizung nach dem Gang der Außentemperatur ständig und gleitend. Selbstverständlich verursacht auch der Betreiber mit seinem Anspruch an die Raumtemperaturen die Betriebstemperaturen seiner Heizung.
Alles zusammen betrachtet, gibt es also keine Vorhersagemöglichkeit für die erforderliche Betriebstemperatur; auch nicht bei dieser oder jener Außentemperatur.

Ein sehr wichtiger Aspekt wird bei allen Diskussionen über Betriebstemperaturen bei Heizanlagen vergessen: Je höher die rechnerisch ausgelegte Betriebstemperatur, desto besser die Regelmöglichkeiten. Bei allen gängigen Heizkörpern beginnt der kleinste Heizeffekt bei einer Betriebstemperatur von 30°C. Begrenzt ein Planer die maximale Betriebstemperatur rechnerisch auf 45°C, so stehen 15°C Regeltemperatur am Kessel zur Verfügung. Im Allgemeinen beginnt man in unseren Breiten bei +12°C mit dem Heizen. Nimmt man nur der Einfachheit halbe die tiefste Außentemperatur, die in die Rechnung einbezogen ist, mit -18°C an, so müssen mit 15°C Regeltemperatur an der Heizanlage 30°C Außentemperaturgang bedient werden. Diese Regelgenauigkeit funktioniert auch mit den empfindlichsten Regelgeräten nicht.

Als man Heizanlagen noch mit einer maximalen Vorlauftemperatur von 90°C projektierte, standen 60°C Regelbandbreite zur Verfügung und das waren zwei Grad am Heizkessel für ein Grad Außentemperaturgang. Das schaffen heute empfindlichste Regelgeräte gerade. Dies bedeutet in der Praxis, dass bei geringer Regelbandbreite die außentemperaturabhängigen Heizungsregler auf Übertemperatur der Heizanlage eingestellt werden müssen, weil sonst durch die Schwankungen der Regler zeitweise Untertemperatur in den Räumen herrschen würde.

Fazit:
Der Vorteil niedriger Betriebstemperaturen an Heizanlagen beruht auf einer Fehlinformation der Verbraucher. Trotzdem wird die Branche auch weiterhin die Wünsche nach niedrigen Heiztemperaturen gern erfüllen. Ihr Schaden ist es nicht.